Transkript zur Episode: Carl der Radiologe
Intro: Heldendumm – Historisch, Gefühlsecht
Daniel: Hallo Philipp!
Philipp: Hallo Daniel!
Daniel: ich habe eine neue Geschichte für dich.
Philipp: Oh ich freue mich!
Daniel: Ich habe eine Geschichte für dich. Diesmal geht die nicht so weit zurück wie die von Arius, aber ein bisschen. Sie beginnt bisschen früher als die von… Also zwischen zweiter Weltkrieg und Römisches Reich, so ungefähr da anzusiedeln.
Philipp: Ja, ist ja enge Zeitspanne, ganz eng.
Daniel: Aber pass auf, wir machen das so wie immer: Du bist Karl.
Philipp: Oha, nicht auf dem Kopf, nur mit dem Namen? Und auch nicht auf dem Dach?
Daniel: Vielleicht bist du auch Georg Karl, keine Ahnung. Man nennt dich Georg, man nennt dich Karl. Auf jeden Fall Georg Karl.
Philipp: Habe ich so einen Decknamen? Bin ich irgendwie Spion?
Daniel: Das wäre auch geil, ja vielleicht ein anderes Mal. Aber dieses Mal…
Philipp: Karl Georg klingt sehr nach Mittelalter.
Daniel: Georg Karl muss schon die andere Richtung, das ist schon weniger mittelalterlich. Dein Name ist Georg Karl Tanzler und du bist geboren am 8. Februar 1877.
Philipp: Oh ja, wie gesagt, vom Namen her würde ich sagen Georg Karl Tanzler – entweder Wissenschaftler oder Arzt.
Daniel: Du bist gar nicht so falsch, aber erstmal um den Gedanken zu Ende zu bringen: Du bist 1877 geboren in Dresden. Zu deiner Kindheit weiß man gar nicht so viel. Du bist irgendwann im fast schon erwachsenen Alter nach Italien gereist, da hast du ein bisschen Zeit verbracht – Urlaub zum Beispiel um 1890 oder 1900, wer weiß. Auf jeden Fall warst du wohl mal in Italien. Dann später wolltest du nach Australien.
Philipp: Ich weiß zwar nicht was man in Australien so macht, vielleicht kannst du mir dazu was erzählen. Zumindest um 1900 – Schlangen und Spinnen und Dodos.
Daniel: Dodos vor allem immer, weil Australien hat nicht mehr zu bieten als Schlangen, Spinnen und Dodos.
Philipp: Das ist korrekt.
Daniel: Du bist wie gesagt nach Australien, zwischendurch hast du noch in Indien kleinen Stop gemacht, einfach weil – na ja, ist auf dem Weg wahrscheinlich.
Philipp: Ja dauert ja auch, ne? Oh Flugzeug! Oder hatte ich so einen schönen coolen Kampfzeppelin?
Daniel: Das müsste ein bisschen später gewesen sein, das war ein bisschen später. Obwohl du Georg Karl von Dresden bist – quasi bist nicht Wernher von Braun, du bist Georg Tanzler. Auf jeden Fall, wie gesagt, du bist nach Australien. Wie wär’s wenn du einfach mal die Südseeinseln bereist, einfach was es so alles gibt? Zum Beispiel mit dem Ziel Osterinsel.
Philipp: Gibt’s die Osterinsel dort?
Daniel: Ja, die gibt es. Ich weiß nicht wo die sind, aber die gibt es auf jeden Fall.
Philipp: Das wäre doch ein schönes Ziel oder? Das ist auch schön. Also ich bin ja bestimmt gläubig, so aus gutem deutschen Hause, Ende 19. Jahrhundert. Ostern, das passt doch! Und sind das nicht diese komischen Gesichter da unten?
Daniel: Ja genau, genau, genau. Die kann man sich ja schon mal angucken, das wäre doch eine Idee, ne? Wenn du jetzt aber quasi in Australien erstmal bist und dir denkst “okay, ich werde jetzt auf irgend so eine random Insel ziehen” oder bzw. mir überhaupt erstmal angucken, und scheinbar bist du irgendwie auf eigener Faust losgezogen. Also was macht man da? Müsstest du doch vorher erstmal schauen, ne?
Philipp: Ich meine, so es gibt ja jetzt, wie du schon sagtest, keinen richtigen Luftweg dahin. Da müsste man irgendwie über die See kommen. Und jetzt ohne das ganze Wissen, wie man da… was man macht, ist halt schwierig, ne?
Daniel: Ja, also ich brauche auf jeden Fall – wenn ich dahin will, brauche ich entweder ein Schiff.
Philipp: Also ich brauche ein Schiff und ich brauche eine Crew, am besten.
Daniel: Du brauchst ein Schiff und du brauchst eine Crew, richtig. Was du vielleicht noch vorher wissen solltest: wenn du keine Crew findest, wie das Wetter und die Seebedingungen sind, und generell mal, wie du schon sagst, das Schiff oder ein Boot und eine Ausrüstung wär nicht verkehrt, ne?
Philipp: Das wäre nicht verkehrt, das richtig. So also mit dem Ziel auf die Südseeinseln zu fahren…
Daniel: Hast du angefangen die ganze Ausrüstung zu sammeln und hast irgendwie so ein Interesse fürs Ingenieurwesen, Elektrik bekommen. Hast angefangen dich dafür zu interessieren und du hast Schiffe gekauft – Schiffe, Plural.
Philipp: Warum auch immer du mehrere Schiffe dafür brauchst, aber vielleicht so wie so ein One-Way-Schiff?
Daniel: Aus Sicherheitsgründen wahrscheinlich, falls eins untergeht, dass man sich dann auf das andere retten kann. Weil es gibt ja Seeungeheuer, so große tentakelige Dinger, ne? Da muss man… Und bei Schiffe versenken, wenn man das spielt, hat man ja auch nicht nur ein Schiff.
Philipp: Richtig! Realistisches Schiffe versenken könnte man heute heutzutage wahrscheinlich machen mit so Satelliten, die dann aus der Luft runterschießen. Aber warum ist die Frage. Das ist die große Frage. Aber ein anderes Warum habe ich auch: Warum hast du eine Orgel gekauft?
Daniel: Das ist eine sehr gute Frage. Um den Satz eben zu Ende zu bringen: Du interessierst dich oder begeisterst dich plötzlich für Ingenieurswesen, für Elektrik, du kaufst Schiffe, eine Orgel und eine ganze Insel auf dem Pazifik.
Philipp: Okay, ich muss also Kohle haben ohne Ende. Du scheinst wirklich aus dem guten deutschen Haushalt zu kommen, wo ein bisschen Geld reingekommen zu sein scheint. Im Vorfeld… aber jetzt frage ich mich eins: Was passt nicht in die Reihe? Schiffe, Insel, Orgel verstehe ich noch nicht so ganz. Soll die Orgel auf ein Schiff oder… also will ich die Orgel mit aufs Schiff nehmen und auf der Insel absetzen? Will ich auf der Insel eine Kirche bauen? Will ich auf der Insel die Tiere beschallen mit meiner Orgelmusik? Ist das so eine Art von schriller Gottesanbetung? Möchte ich so eine Begegnung der dritten Art machen?
Daniel: Ist ja alles möglich. Nah, ich glaube tatsächlich es ist eher so dieses typische: Man fährt mit dem Schiff mit einem gewissen Ziel, und da ist die… und alle spielen halt ihre Instrumente. Weißt du, der eine hat so ein Klimperdingaher andere Akkordeon, du sitzt mit der alleine. Diese Vorstellung in meinem Kopf ist gerade so eine Filmszene mit so einem Schwenk über so ein Schiff: und einer spielt so auf seinem Akkordeon und einer spielt auf seiner Blockflöte und der andere Trompete, und dann komme ich ins Bild mit meiner Orgel und hau da so in die Tasten.
Philipp: Eigentlich eine super Idee! Ich könnte auf dem Schiff Gottesdienste vorführen zum Beispiel.
Daniel: Du könntest aber auch die Orgel statt als Instrument auch als Horn benutzen für das Schiff.
Philipp: Auch super! Also als Horn, ja als Nebelhorn. Aber ich meine, sozusagen hat jedes Schiff quasi eine kleine Orgel an Bord mit einem Ton, aber ist das Nebelhorn nicht erschwinglicher als die Orgel?
Daniel: Nicht wenn du aus gutem deutschen Haus aus Dresden… ganz egal. Also er hat für alle seine eine Orgel gekauft, oder hat er nur eine Orgel gekauft?
Philipp: Also laut meinen Aufzeichnungen hast du nur eine Orgel gekauft, also erstmal nur eine.
Daniel: Ich habe eine Orgel gekauft. Wie gesagt, Schiffe gekauft, du hast eine ganze Insel gekauft, bist aber trotzdem vorerst in Australien geblieben. Warum? Weil du ja, wie gesagt, ein großer Fan, großes Interesse für Ingenieurswesen bekommen hast irgendwie über die Zeit und hast angefangen einen eigenen Transatlantik-Flieger zu bauen.
Philipp: Ein Transatlantik-Flieger! Weil ich meine, es ist ja die Gebrüder… wann waren die denn so? Auch die Ecke Ende 19. Jahrhundert würde ich sagen, das passt, ne?
Daniel: Also ja, du hast halt Interesse, du hast gesehen was die können, du weißt was du kannst oder bzw. jetzt… ich kann Orgel kaufen…
Philipp: Kannst Orgeln kaufen, hoffentlich auch spielen.
Daniel: Na ja, und weißt wo der Hase läuft quasi und kannst dementsprechend auch Flugzeug bauen.
Philipp: Mein Gott ja, so einfach! Also Flugzeug ist ja nicht schwer – da klebst du dir so ein paar Gummipappen unter die Arme und dann fliegst du.
Daniel: Richtig, nur nicht so nah an der Sonne, ne?
Philipp: Richtig, das ist aber nicht… das ist doch dieser Grieche, der… Ikarus, Dädalus, Dödelus.
Daniel: Genau, vielleicht eine andere Geschichte für die Zukunft. Na ja, wir sind mittlerweile in 1914 angekommen.
Philipp: Okay, erster Weltkrieg. Genau, Kampfflugzeuge werden gebraucht, ich wittere meine Stunde!
Daniel: Du witterst deine Stunde, aber tatsächlich: Du bist ein Deutscher in Australien, das ist natürlich jetzt schlecht. Der Erste Weltkrieg bricht aus und ja, da kommen plötzlich die Briten und denken sich “aha, da sitzt so ein Georg Karl, nennen wir ihn einfach nur Karl. Karl, der sitzt da ganz alleine, baut da an seinem Flieger, vielleicht könnte es ein Problem sein.” Und ja, wir sind die Briten, Deutschland schwierig – stecken wir den mal einfach in so ein Camp für Kriegsverbrecher.
Philipp: Zur Sicherheit finde ich gut. Persönlich… nee, aber es ist aber ungerecht jetzt! Wieso? Ich habe ja nichts gemacht, ich bau ja nur ein Flugzeug, ich will ja nur auf meine Insel fliegen!
Daniel: Aber du versteckst dich vom Krieg.
Philipp: Das ist mir doch egal! Also ich will ja nur… also mein Ziel ist nur das Sweet Life.
Daniel: Das Sweet Life kommt sogar noch ein bisschen… also kurz danach, nachdem du in dieses Camp gesteckt wurdest, man hat so bisschen geguckt: “So, bist du jetzt ein echter Kriegsverbrecher oder bist du so ein Karl, der gerne Flugzeuge in Australien baut?” Schwierig. Ist doch eindeutig! Dann transferieren wir den doch einfach mal in ein anderes Gefängnis, also in ein Gefängnis namens… es ist ein Schloss in der Trial Bay Bucht in Australien.
Philipp: Schloss! Ja, das trifft sich schon eher mit meiner Vorstellung. Das ist zumindest schon mal halt so ein bisschen sweeter Life als so ein Camp, ne?
Daniel: Das richtig. Tja, und auch dort wird noch ein bisschen sweeter, denn du lernst eine Frau kennen – im Gefängnis wohlgemerkt, aber Schlossgefängnis. Also keine getrennten Männer- und Frauengefängnisse, sondern alles zusammen, alle nicht so ganz Kriegsverbrecher in einem. Gemeinschaftsdusche auch, volles Programm.
Philipp: Gut!
Daniel: Sie nennt sich Nana Tiloka Machatera.
Philipp: Okay, ich kann es nicht aussprechen, aber ich vermute es ist eine australische Ureinwohnerin. Auf jeden Fall ist sie keine Deutsche aus Dresden.
Daniel: Okay ja, gut. Ihr lernt euch kennen, aber ihr seht beide nur eins: die Flucht. Und zwar baust du, Karl, du baust ein Segelboot versteckt in einer Höhle unter dem Schloss, um von dort zu fliehen.
Philipp: Okay, das ist ein ziemlich schlechtes Gefängnis.
Daniel: Es ist ja auch ein Schloss, also man hat gewisse Freiheiten. Es gibt auch Geheimgänge bestimmt. Man kann halt sein Hobby ganz normal nachgehen. Weißt du, wie heutzutage: Du kannst halt putzen oder kochen im Gefängnis, da bist du halt der Schiffsbauensch. Weil du hast ja schon mal ein Flugzeug gebaut, kannst auch ein Schiff bauen.
Philipp: Ja, außerdem kenne ich mich mit Orgeln aus, das ist in jeder Hinsicht wertvoll. Vor allem: Wo ist denn die Orgel eigentlich?
Daniel: Die wird wohl in Australien in deinem trauten Heim sein, nehme ich an. Oder die ist auf einem deiner Schiffe.
Philipp: Genau, das Problem ist aber: Ihr baut, oder du baust an diesem Segelboot, die nicht so deutsche Frau unterstützt dich dabei, aber dann irgendwann mal ist schon 1918. Na ja, der erste Weltkrieg geht vorbei und die Briten, die dich in das Gefängnis gesteckt haben, haben sich so gedacht: “Hm, na ja, du bist ja ein Kriegsgefangener zumindest in irgendeiner Art und Weise, dementsprechend darfst du nicht nach Hause in Australien, sondern wir schicken dich jetzt einfach zum Gefangenenaustausch in die Niederlande.”
Philipp: Holland! Holland! Da gibt’s überhaupt keine Berge, von denen ich aus meinen Segelflieger starten könnte!
Daniel: Alles in Australien geblieben. Also du bist der einzige, der jetzt irgendwie von deinen Besitztümern… ja, du bist dein eigenes… wie auch immer, bist jetzt in Holland gelandet.
Philipp: Bin in Holland gelandet. Tja, also du bist in Holland, Deutschland ist nicht weit weg, Krieg ist vorbei, aber ich bin auch alleine. Also meine Freundin da ist nicht dabei?
Daniel: Nee, die ist in irgendein anderes Lager geschickt worden, weil sie klingt nicht so deutsch, weißt du? Holland, Deutschland, alles dasselbe, aber sie… die darf nicht.
Philipp: Ja, alles klar. Also bist jetzt wieder ganz alleine, in Deutschland… nicht in Deutschland, in Holland, und denkst dir so: “Hm, was soll ich jetzt? Ich habe hier niemanden, ich habe von meiner Mutter nichts mehr gehört schon länger seit Beginn des Krieges. Gehe ich doch mal zu meiner Mutter zurück nach Dresden.” Und dort, sobald du bei ihr angekommen bist, dort bleibst du erstmal paar Jährchen und lernst eine neue Frau kennen.
Daniel: Aber meine Mutter lebt noch?
Philipp: Sie lebt noch, ja. Also ist alles best, alles gut.
Daniel: Okay, wie gesagt, lernst eine Frau kennen. Sie nennt sich Doris Schäfer.
Philipp: Das klingt schon eher ein bisschen dresdnerischer, ein bisschen deutscher auf jeden Fall, ne?
Daniel: Und 1920 heiratet ihr und bekommt zwei Kinder. Also es klingt ja eigentlich wie das Leben, was du dir immer gewünscht hast.
Philipp: Sweet! Und ja, es ist bisschen Sweet Life, aber zu wenig Fliegen, zu wenig Orgel und vor allem zu wenig Pazifikinsel.
Daniel: Das stimmt, aber man nimmt, was man kriegt, ne? Und dementsprechend, tja, sagte deine Mutter so: “Du hast so eine Schwester in den USA, geh doch mal dahin.”
Philipp: Sag mal, meine Verwandschaft ist ja über die komplette Welt verstreut, überall! Also ja, ist ja Wahnsinn. Nachher finde ich noch irgendwie Gambia oder so.
Daniel: Wer weiß, vielleicht. So ein Gentest sollte man machen.
Philipp: Das ist auch immer wunderschön, wenn diese Influencer diese Gentests machen. Wie auch immer…
Daniel: Na ja, auf jeden Fall sagt deine Mutter: “Geh doch mal nach Amerika, ist doch wunderschön, da lebt deine Schwester, geh doch mal dahin.” Also easy peasy – 1926 gehst du über Rotterdam nach Kuba, nach Havana, und von da aus nach Sea Hills in Florida.
Philipp: Ist schon so ohne Frau, ohne Kinder?
Daniel: Ohne Frau und ohne Kinder.
Philipp: Sag mal, okay, ich muss wohl… also entweder ich bin ziemlicher Playboy oder das ist irgendwie eine ganz, ganz, ganz komische Verbindung. Also ich bin da… will ich da komplett hin oder will ich da nur auf Besuch hin?
Daniel: Du ziehst dorthin.
Philipp: Ich zieh dorthin, einfach so?
Daniel: Und nennst dich von dem Tag an, seitdem du den ersten Fuß auf das amerikanische Festland gesetzt hast: Graf Karl von Kosel.
Philipp: Ah ja! Okay, jetzt kommt das Sweet Life! Jetzt fühle ich mich ein bisschen heimischer in der Geschichte hier, als Karl von Kosel.
Daniel: Als Graf Karl von Kosel.
Philipp: Für ein Scheiß-Name… naja egal, ich bin ja cool. Du ziehst dahin nach Sea Hills in Florida – Sweet Life, Palmen, bisschen Sport machen am Strand, in Miami.
Daniel: Genau, bisschen joggen morgens. Deine Frau und deine beiden Kinder kommen nach…
Philipp: Ach so! Und du denkst dir so: “Sweet Life!” Ja okay, aber irgendwie nicht so mit Kind und Frau. Deswegen verlässt du die Familie ein Jahr später, 1927.
Daniel: Also die Familie hat offensichtlich noch nicht gemerkt, als ich in der Nacht-und-Nebel-Aktion in die USA geflüchtet bin zu meiner Schwester, sondern erst später?
Philipp: Genau, also die Frau checkt nicht… also du musst noch mal Zigaretten holen gehen.
Daniel: Find ich aber auch schön, diesen Weg zu wählen und nicht einfach zu sagen “es ist aus”, sondern einfach… wo in aller Welt ist Karl von Kosel?
Philipp: Graf Karl von Kosel! Wo in aller Welt ist Graf Karl von Kosel? Also ich finde, schlechter hätte Carmen San Diego auch nicht heißen können.
Daniel: Nee, vielleicht hast du ja auch so einen roten Mantel und einen roten Hut. Auf jeden Fall denkst du dir so: “Die Frau, die Kinder… nee, ich gehe jetzt wieder.” Und du gehst nach Key West, ebenfalls in Florida. Und zwar beginnst du deinen Job, weil du brauchst ja irgendwann… mein Job mit ist irgendwas mit 40 Jahren…
Philipp: Ich weiß gar nicht, schon paar Jahre auf dem Buckel.
Daniel: Müssten mehr sein, ne? Wenn ich ’77 geboren bin… 50!
Philipp: 50, ja. Dann muss ich auch irgendwann mal anfangen zu arbeiten. Das Dresdner Geld reicht halt nicht immer, ne?
Daniel: Ich habe noch in Immobilien investiert, zum Beispiel in Inseln.
Philipp: Vielleicht kann ja damit irgendwann was machen.
Daniel: Na ja, auf jeden Fall gehst du arbeiten. Und ich meine, du… zumindest ist nichts bekannt, dass du irgendwas gelernt hättest, bis auf deine tollen Erlebnisse in Ingenieurswesen und Elektrik und Flugzeugbau und Schiffsbau und Orgel spielen.
Philipp: Und Orgel spielen, also was macht man da? Dann sucht man sich doch einfach einen Job, der zu einem passt. Man sucht einfach einen Job, wo man weiß: “Okay, das habe ich jahrelang gemacht, ich weiß, wie das geht. Ich gehe ins Krankenhaus und werde Radiologe.”
Daniel: Natürlich, was auch sonst!
Philipp: Was auch sonst! Das geht auch mal eben. “Hallo, ich bin hier so ein ungelernter Dresdner, der sich unter falscher Identität einmal über die halbe Welt gefahren ist. Ich würde jetzt gerne Radiologe werden hier.” Ich meine, was soll da schon schief gehen, ne? Ich meine, du machst da bisschen X-Ray und dann ist gut.
Daniel: Der Gamma-Man! Ein bisschen Gammastrahlung hast du wohl schon trotzdem abbekommen, denn in deiner Zeit im Krankenhaus erzählst du scheinbar deinen Kollegen, deinen Vorgesetzten oder generell allen Leuten, die du so kennenlernst, erzählst du, dass du, als du in Deutschland gelebt hast und auch als du in Italien warst in dem Urlaub oder was auch immer du dort gemacht hast, du wurdest immer wieder heimgesucht – du hattest Visionen.
Philipp: Oh! Von dem Seeungeheuer vom Anfang?
Daniel: Nein, tatsächlich nicht. Du hattest Visionen von einer Frau, von der Gräfin Anna Konstantia von Kosel, die dir erzählt hat: “Du wirst deine große Liebe finden in einer exotischen, brunetten Frau.”
Philipp: Das macht mir gerade ein bisschen Sorgen, weil jetzt, wo ich das höre, habe ich Angst, dass ich eine schwerwiegende Psychose in mir trage.
Daniel: Meinst du? Also ich finde, wenn man heimgesucht wird von einer Vorfahrin, von der Gräfin von Kosel…
Philipp: Du, ich meine, du bist ja auch von Kosel, also… zumindest habe ich mich so benannt. Bin ich es wirklich? Das ist jetzt nämlich der Unterschied.
Daniel: Also sie hat dir gesagt, sie ist eine Vorfahrin, sie ist Anna Konstantia von Kosel. Wenn sie das sagt, wird das wohl stimmen. Vielleicht ist deine Mutter gar nicht deine Mutter und deine Schwester gar nicht deine Schwester. Das weiß man ja nicht. Wer weiß, Dr. Phil würde es jetzt aufklären.
Philipp: Dr. Phil ist aber noch nicht da.
Daniel: 1930 – 3 Jahre später. Karl ist 53, arbeitet weiterhin im Krankenhaus, es ist nicht aufgefallen, und es kommt eine Frau mit ihrer 21-jährigen Tochter ins Krankenhaus, weil es geht ihr nicht gut. Sie möchte untersucht werden bzw. die Mutter möchte, dass die Tochter untersucht wird. Und sie heißt – ganz kurz, weil der Name wird wichtig – die Maria Elena Milagro de Hoyos.
Philipp: Okay, klingt spanisch.
Daniel: Klingt leicht spanisch. Was noch passiert, würde dir auch spanisch vorkommen: Ist das die Brünette?
Philipp: Karl wusste es ja!
Daniel: Karl wusste es, als er sie gesehen hat.
Philipp: Und ich wusste es, als ich von ihr hörte.
Daniel: Sie ist es! Denn die Maria Elena Milagro de Hoyos – bleiben wir bei Maria – war eine brunette, exotische Frau. Sie war halt 21, Karl war 53, aber Karl wusste es.
Philipp: Du wusstest es.
Daniel: Du wusstest es einfach.
Philipp: Absolut! Also man muss auch mal Altersunterschiede beiseite legen können, wenn es einfach stimmt. Vor allem wenn dir Anna Konstantia von Kosel, die Gräfin, das gesagt hat in mehreren Visionen in Deutschland und Italien.
Daniel: Wenn die sogar dir nachreist nach Italien in ihrem… als Geist, also das muss ja schon was heißen.
Philipp: Die weiß wovon sie spricht, absolut. Der hat einfach den Durchblick. Die kann auch durch Wände gehen und so weiter. Also… genau. Ich kann auch Röntgen gucken als Radiologe, ne?
Daniel: Also ich meine, das ist schon… sie ist eine Gräfin, du bist ein Graf, sie ist von Kosel, du jetzt auch, also ich sehe da einen roten Faden. Ich nicht durchgeguckt!
Philipp: Na ja, auf jeden Fall du wusstest es. Das gibt nur ein Problem: die Maria, die ist verheiratet. Sie ist verheiratet und sie hatte eine Fehlgeburt, und der Mann hat sie daraufhin verlassen, ist nach Miami gegangen.
Daniel: Also dahin, wo ich herkomme oder was?
Philipp: Du bist ja nicht ganz in Miami gewesen, du bist ja ein bisschen weiter… also alles Florida. Wir bewegen uns in floridarischem Raum… floridanischem… floridischem… wir sind in Florenz!
Daniel: Wir sind Florenz, Italien, Spanien, alles dasselbe, alles das Gleiche! Und Australien auch! Und die Osterinseln pack ich noch oben drauf.
Philipp: Genau! Australien, Österreich… kann man ja auch deutsch… häufig verwechselt, natürlich.
Daniel: Na ja, auf jeden Fall: Sie war verheiratet, sie hat eine Fehlgeburt, der Ehemann hat sie verlassen und sie ist krank, ne? Die Mutter hat sie ja extra ins Krankenhaus gebracht. Maria ist krank und du bist der Doktor. Du bist in der Vorsehung… bist ja schließlich in der Vorsehung, du weißt Bescheid, du musst ihr helfen!
Philipp: Ist ja logisch! Wenn ihr jemand helfen kann, dann ich als ihr von Anna Konstantia ausgewählter Mann! Bin ich natürlich absolut der einzige Richtige, der das machen kann, natürlich! Also ich meine, es liegt auf der Hand.
Daniel: Das einzige Problem ist: Maria ist halt, wie gesagt, krank und sie leidet an Tuberkulose.
Philipp: Das ist ganz schlecht, vor allem so Ende 19. Jahrhundert ist meistens tödlich.
Daniel: Gut, wir sind ja jetzt schon 40 Jahre weiter… ist trotzdem tödlich. Moment, ja stimmt! Jetzt bin ich… jetzt war ich nur gerade bei den Visionen… also nee, aber ich glaube auch in den 30ern sah noch nicht so gut aus.
Philipp: Das stimmt, besser, aber noch nicht so gut. Du bist ja ein Arzt mit fachmedizinischem Wissen oder…
Daniel: Vielleicht habe ich mir über die Jahre das eine oder andere angeeignet, wer weiß.
Philipp: Nun ja, auf jeden Fall: Maria wurde nach Hause geschickt, sie soll in ihren Bett bleiben. Das finde ich auch… du bist da für sie und bringst ihr Medizin, behandelst sie mit Röntgengeräten und mit Elektrotherapie.
Daniel: Na, das wird besonders gut funktionieren! Ich bin ja elektrisch… also nicht nur aufgeladen, sondern auch Fachwissen stark!
Philipp: Natürlich, du hast alle Voraussetzungen, um Maria zu retten. Außerdem liebst du sie ja.
Daniel: Richtig! Deswegen beschenkst du sie mit Schmuck und Kleidung, während sie im Bett liegt, und gestehst ihr deine Liebe – wohlgemerkt, du bist noch verheiratet und sie auch.
Philipp: Aber es ist ja egal, wir sind ja beide getrennt! Und vor allem: Anna Konstantia hat gesagt!
Daniel: Richtig! Also du gestehst ihr deine Liebe, du bringst ihr Schmuck und Kleidung, hilfst ihr mit deinem medizinischen Fachwissen, und Oktober 1931 stirbt Maria.
Philipp: Wie? Wie kann das denn jetzt sein? Das passt ja überhaupt nicht zusammen! Ich habe ihr doch geholfen mit meinem super medizinischen Fachwissen!
Daniel: Aber Tuberkulose ist halt heftig.
Philipp: Ach was, nicht für mich!
Daniel: Es ist zu heftig. Aber da du ja der quasi Erwählte für sie bist, saßt sie übrigens nicht so im Sterbebett… aber da du der Erwählte für sie bist, hast du die Beerdigung bezahlt, hast dich mit den Eltern gebandelt, und du hast sogar von der Mutter so ein Bündel aus Marias Haar bekommen, einfach nur damit du quasi irgendwas für sie… also als Erinnerung da hast.
Philipp: Toll! Verrottete Haare!
Daniel: Sind ja noch bevor sie gestorben ist, die guten, ja? Die wo ihre Lebenskraft noch drin ist. Und du denkst dir so: “Okay geil, die trage ich als Extensions, die behalte ich erstmal.” Das und zweitens: Du hast ja durch deinen Job als Radiologe im Krankenhaus… du bist ja ein renommierter Arzt scheinbar, du brauchst ein Mausoleum für sie.
Philipp: Ach du Scheiße! Da kommt die Orgel rein!
Daniel: Da kommt die Orgel rein, genau! Ich meine, so auf so einem Friedhof, so ein kleines Mausoleum ist doch wunderschön. Ich meine, da kann man rein, da kann man mit der Toten ja trotzdem noch sprechen, einfach um langsam sich von ihr zu verabschieden.
Philipp: Du kamst jede Nacht?
Daniel: Ich kam jede Nacht. Du kamst jede Nacht, um mit ihr zu sprechen. Und Marias Geist kam zu dir jede Nacht, zusammen mit Anna oder alleine?
Philipp: Alleine. Das wird das soweit, wir lassen nicht gehen, keine Dreier hier.
Daniel: Na ja, auf jeden Fall: Marias Geist kam, aber nur wenn du ihr ihr Lieblingslied vorgesungen hast – so ein spanisches Lied – und du hast es gesungen, wahrscheinlich auf deiner Orgel gespielt. Auf jeden Fall kam der Geist zu dir, und der Geist sprach die ganze Zeit mit dir und sagte: “Hey, nimm mich mit dir mit! Ich will nicht mehr im Grab liegen!”
Philipp: Ähm, okay. 1940 – neun Jahre sind vergangen. Du kommst nicht mehr so oft zu ihrem Grab, besuchen, und das ganze hat sich so bisschen… hat halt Staub drauf gelegt quasi. Also es ist alles… hat sich so ein bisschen beruhigt.
Daniel: Maria hatte übrigens eine Schwester – Florinda hieß die. Sie hörte von einem kleinen Jungen, dass du wohl mit ihrer Schwester Maria in deinem Wohnzimmer getanzt hättest, weil er euch beobachtet hatte durch ein offenes Fenster.
Philipp: Also ich mache mir gerade sehr, sehr große Sorgen. Ich mache mir gerade wirklich sehr, sehr große Sorgen… also erst kommt “nimm mich mit” und dann mit ihr tanzen… das würde ja für mich bedeuten, dass da eine Exhumierung stattgefunden hat. Aber von wem denn? Du bist ja Radiologe!
Daniel: Ich meine ja, gut, ich kann alles. Stimmt! Aber du musst es nur einmal gesehen oder gelernt haben, und dann kannst du es auf einmal, ne?
Philipp: Also ich meine, aber gut… die Schwester von Maria hat sich gedacht: “So, Moment, das kann doch gar nicht sein, das ist schon 9 Jahre her, seitdem die Maria gestorben ist.” Aber sie hat immer wieder irgendwelche Gerüchte gehört. Also ist sie zu dir nach Hause gegangen und hat dich damit konfrontiert. Und du machst die Tür auf, sie geht in die Wohnung rein oder ins Haus, sie geht ins Schlafzimmer… kannst du dir denken: Im Schlafzimmer, im Bett liegt Maria. Sieht aus wie am Tag ihrer Beerdigung… nicht ganz, aber schon nah dran.
Daniel: Jetzt ist die Frage: Möchtest du die genaue Beschreibung wissen?
Philipp: Also ich brauche jetzt nicht die tiefsten Details, aber ich meine, so zumindest… ich möchte wissen, wie…
Daniel: Du möchtest wissen, wie… 1933 – 7 Jahre zuvor, 2 Jahre nach der Beerdigung von Maria – hat sich Karl gedacht… da er eh so Nacht-und-Nebel-Aktion schon mit seiner Ex-Frau gemacht hat, hatte sich so einen Kinderbollerwagen geschnappt, ist zum Mausoleum gelaufen, hat das Grab aufgemacht, hat sich Maria geschnappt und ist damit nach Hause gerollt.
Philipp: Da muss ja… also nach zwei Jahren, da muss ja schon… da war… muss ja schon quasi alles weg gewesen sein, mehr oder weniger, oder…
Daniel: Also in Amerika balsamieren die ein bisschen besser als bei uns. Also tatsächlich war der Zustand, sag mal, noch okay, zumindest für deine Verhältnisse, Karl.
Philipp: Okay, da gibt’s jetzt unterschiedliche Geschichten. Eine Geschichte ist, dass ich… erzähl es einfach! Karl hatte ein abgestürztes Flugzeug gefunden, dort gab es nur noch den Rumpf von diesem Flugzeug, keine Flügel mehr, nichts mehr. Und in diesem Rumpf hatte ein kleines Labor gebaut, und Karl hat dort angefangen, sich mit Balsamierung zu beschäftigen. Und wir wissen ja: der Karl… du weißt ja, wenn du was mal gesehen und gemacht hast, weißt du natürlich, wie es geht, machst es einfach. Und das hat der Karl auch gemacht.
Daniel: Er hatte… dadurch, dass die Knochen halt schon so ein bisschen nicht mehr aneinander hingen, hat sie mit Draht und Kleiderbügeln aneinander befestigt.
Philipp: Ach Gott im Himmel!
Daniel: Da Marias Augen sich ja mittlerweile verflüssigt haben, hatte ihr Glasaugen eingesetzt. Die Haut hatte sich ja immer wieder so ein bisschen… na ja, aufgelöst, also hatte eine Mischung aus Wachs, Seide und Gips genommen, um die Haut wieder herzustellen. Natürlich fielen ihr auch die Haare aus – sieh da, die guten Haare, die er von der Mutter von ihr bekommen hatte! Da hat eine Perücke draus gemacht und hat die aufgesetzt.
Philipp: Wunderbar!
Daniel: Marias Bauchhöhle und ihre Brust wurde mit Tüchern ausgelegt, ausgefüllt, damit alles in ihrer alten Form bleibt. Und na ja, dann zog er ihr Strümpfe an, Schmuck und Handschuhe – ich weiß nicht, ob da noch was dabei war oder ob es genau so blieb – und brachte sie nach Hause und ließ halt… ließ sie halt in ihrem Bett schlafen… “schlafen” in Anführungszeichen. Und ab und zu scheinbar tanzte er mit ihr. Und was er sonst mit ihr machte…
Philipp: Also es gab wohl, nachdem das ganze aufgeflogen ist… die Schwester hat sofort die Behörden benachrichtigt, du wurdest verhaftet – aber kennst du ja, warst ja schon mal im Gefängnis gewesen, weißt ja, wie das ist, weißt, wie der Hase läuft. Und es gab eine Autopsie an Marias Körper, und na ja, man hat auch noch so eine Papierröhre wohl gefunden in ihrem Vaginalbereich, einfach nur damit ihr auch zusammen schlafen könnt.
Daniel: Was erzählst du mir denn hier für Geschichten, ey? Das ist ja das Schlimmste! Wir sind in der dritten Folge, wir können die Hörer noch nicht jetzt so belasten, posttraumatisch!
Philipp: Na ja, wenn du einmal im Hügel bist, dann geht alles.
Daniel: Ja, ich will aber nicht bei Maria beim Hügel sein! Übrigens ganz schwer dagegen: der letzte Punkt mit der Papierröhre ist erst 1972 aufgetaucht, also kann es sein, dass es dazu gedichtet worden ist.
Philipp: Auf jeden Fall: Wir haben ja immer noch 1940, du bist verhaftet. Die Mediziner und die… bzw. die Gerichtsmediziner, die die Leiche bzw. die mumifizierte Leiche gesehen haben, sind begeistert von deiner Arbeit. Und das ganze mediale Interesse drumherum ist so groß gewesen, dass sie einfach sich gedacht haben: “Okay, wir stellen sie für drei Tage einfach aus in so einem Glaskasten, da können sich die Leute das ganze Werk mal angucken.”
Daniel: Ich schüttel seit 5 Minuten durchgehend mit dem Kopf, das wollte ich nur mal kurz an dieser Stelle anmerken.
Philipp: 6800 Menschen kamen, um sich die Leiche von Maria anzuschauen.
Daniel: Die arme Maria! Hätt du das gewusst, hätt du das gewusst?
Philipp: Drei Tage später – wie gesagt, ist sie nicht wieder auferstanden, sondern wurde an einen unbekannten Ort begraben. Aber auch das habe ich rausgefunden… nicht ganz schade. Aber was ist denn mit dir jetzt? Ich meine, Leichenschändung, Grabräuberei, Zerstörung von… na ja, von Gräbern ist ja eigentlich nicht so gern gesehen.
Daniel: Ich würde sagen eigentlich… also nach der Geschichte würde ich sagen, ich komme nicht wieder raus.
Philipp: 1933 hast du es gemacht, 1940 war es bereits verjährt.
Daniel: Das kann doch wohl nicht wahr sein! Also hast dir nichts bei gedacht, bist wieder nach Hause gegangen, hast aufgeräumt, hast noch vier Jahre gelebt, und dann hast dir gedacht: “So, hm, das ist schwierig, das ganze, ne? Die ganzen Leute wissen, wer ich bin, die wissen, was ich alles gemacht habe.” Also habe ich mich wieder umbenannt?
Philipp: Nicht ganz. Du bist einfach zu deiner eigentlich noch Frau zurückgezogen, und die hat gesagt: “Ja klar!” Also du bist nicht bei ihr eingezogen, aber du hast bei ihr in der Nähe gelebt, und sie hat dir halt so ein bisschen geholfen, auf die… wieder auf die Beine zu kommen. Weil du bist mittlerweile 67.
Daniel: Ist halt blöd, ne? Also ich meine, ihr seid verheiratet, sie hat einen Ring um ihren Finger, also sie muss dir helfen.
Philipp: Na ja, nicht unbedingt. Ich hätte mir nicht geholfen, sagen wir es mal so.
Daniel: Dir ist auch nicht mehr zu helfen.
Philipp: Nee, also absolut nicht. Aber tatsächlich: Du musst es ja auch verarbeiten, das ganze. Man hat dir deine Frau… deine große Liebe hat man dir weggenommen. Also ich meine, als ein fast 70-jähriger Mann, was macht man da? Wie gesagt, du hast zwar noch irgendwo die Insel, aber die hast du scheinbar schon vergessen. Du hast noch Schiffe mit Orgeln, die sind alle weg…
Daniel: Ich habe auch noch das Flugzeug!
Philipp: Du hast das Flugzeug, du hast Boote, du hast so vieles, was du theoretisch haben könntest, bist aber alt und alles so lange her. Also setzt du dich zur Ruhe und schreibst an einem Buch – eine Autobiografie, die man heutzutage immer noch kaufen kann. Nennt sich “The Secret of Elena’s Tomb” – also sie hieß ja Maria, aber dadurch, dass sie… ihr zweiter Name war Elena, und man hat sie wohl so angesprochen.
Daniel: Und damit habe ich jetzt auch noch Geld generiert?
Philipp: Damit hast du Geld generiert für dein zweites Hobby.
Daniel: Was ist mein zweites Hobby?
Philipp: Dein zweites Hobby ist nie so weit weg von deinem ersten Hobby. Erstmal: Damit du dort bleiben kannst, wo du bist, hast du erstmal die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen.
Daniel: Die geben die mir auch einfach?
Philipp: Natürlich! Du nennst dich ja auch nicht Karl von Kosel, sondern Karl Tanzler – nicht Tänzler, wie du geboren bist, sondern Tanzler. Bist jetzt US-Amerikaner.
Daniel: Vielleicht werde ich auch Bundestänzer?
Philipp: Vielleicht auch das, ne? Eigentlich nicht. Tatsächlich: Du hast ja durch die Arbeit an Maria einiges gelernt… du hast mit Gips gearbeitet zum Teil. Wieso dann nicht aus Gips etwas Schönes machen?
Daniel: Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle aufhören.
Philipp: Die Geschichte ist ja schon fast vorbei. Also tatsächlich: Es ist 1950, und du baust aus Gips eine lebensgroße Figur – Maria die Zweite.
Daniel: Maria die Zweite! Es ist ja auch schön. Ich meine, damit du halt was Schönes zu Hause stehen hast. Aber natürlich hast du auch noch eine Totenmaske, die du von Maria gemacht hattest, als du sie zum ersten Mal bearbeitet hast. Die hast du natürlich noch und hast somit ihr Gesicht auf diese Figur gebracht, damit alles genauso ist, wie es sein soll.
Philipp: Fucked es nicht! Aber die Geschichte muss ja auch mal zu Ende gehen. Und zwei Jahre später verstirbt du bzw. Karl verstarb am 3. Juli 1952 zu Hause. Man hat ihn tot aufgefunden neben einer Orgel.
Daniel: Was?!
Philipp: Und damit endet, wie gesagt, die Geschichte. Man munkelt noch: In dieser Gipsform war Marias Körper, denn scheinbar… also es gibt Geschichten, dass Karl wusste, wo sie begraben wurde, und auch da kam mit Kinderbollerwagen da…
Daniel: Wie ich gesagt habe, ich habe es doch gesagt! Er hat es rausgefunden!
Philipp: Na ja, aber wie gesagt, die offizielle Geschichte ist: Juli ’52, Karl starb mit seiner Orgel – vielleicht mit der Orgel aus Australien, wer weiß? Vielleicht hat er sie einfliegen lassen, um zumindest irgendwas von seinem Sweet Life noch zu behalten. Und das war’s!
Daniel: Das ist die schlimmste Geschichte, die ich jemals gehört habe! Das möchte ich an dieser Stelle mal kurz sagen. Das ist ja wirklich schlimm!
Philipp: Ich habe nur solche Geschichten.
Daniel: Das besorgt mich, das besorgt mich wirklich.
Philipp: Tja, das besorgt mich wirklich. Na ja, also ist eine verrückte Geschichte. Ich hätte niemals gedacht, dass sie so endet, nachdem sie so angefangen hat. Ich dachte eigentlich, es geht darum, dass er mit seinem Propellerdina mit seinem Flugzeug auf diese Insel fliegt und dabei irgendwie abstürzt oder sowas. Oder dass da irgendwie… aber dass er… dass er… also nee, nee, nee!
Daniel: Das wäre ja alles nicht passiert, wenn die Briten nicht gekommen wären.
Philipp: Und wenn die… wie heißt sie noch gleich… Anna Konstantia nicht gekommen wäre auch das. Die ist ja auch noch wichtig. Aber jetzt wissen wir auch… jetzt, wo ich drüber nachdenke, wissen wir auch, warum Karl ja auch auf die Südseeinseln gegangen ist. Weil er sich vielleicht gedacht hat: “Da ist meine Frau!”
Daniel: Das kann gut sein. Und wo war sie? In Florida!
Philipp: Tja, kann man alles nicht wissen, ne?
Daniel: Nee, aber trotzdem hat ihn das Schicksal dahin geführt, wo er hingehen sollte. Also vielleicht… also so aus gesamtgesellschaftlicher Sicht vielleicht auch nicht. Aber ganz ehrlich: Wenn du einen Traum hast… am Ende solltest du bei deiner Orgel sterben, wenn…
Philipp: Zumindest habe ich jetzt ein Trauma, das weiß ich schon.
Daniel: In der nächsten Folge wird es etwas… nicht so schlimm zugehen, sagen wir mal.
Philipp: Man braucht auch Abwechslung. Ich mache kurzen Teaser: Es werden auch Leute sterben, aber es wird ein gänzlich anderer Kontext.
Daniel: Solange es nicht beim Scheißen auf Klo sterben ist, alles gut, ne?
Philipp: Das… ja genau! An dieser Stelle große Empfehlung zu Folge 2. Und na gut, also wie gesagt, meine Geschichte wäre zu Ende. Ich hoffe, es hat euch gefallen, es hat dir gefallen, es hat den Zuhörern gefallen.
Daniel: Mir hat sowieso gefallen. Wenn wir was daraus lernen können, ist: Wenn du etwas willst und die Möglichkeit hast, es zu lernen, dann lerne es! Denn man kann alles!
Philipp: Gut! Du kannst alles schaffen, was du möchtest! Verabschieden wir uns, würde ich sagen.
Daniel: Was für ein tolles Schlusswort!
Philipp: Tschüss!
[Musik]
Abspann: Das war Heldendumm, eine Produktion von Philipp Kallweit und Daniel Siebiesiuk mit Musik von Enrico Wachenko. Außerdem ist unser Podcast ein Teil des Historytelling-Netzwerks. Falls du Heldendumm unterstützen möchtest, findest du in der Episodenbeschreibung einen Link zu Steady. Dort kannst du uns mit einem schmalen Taler helfen, unsere laufenden Kosten zu tragen. Außerdem ermöglicht uns das, unseren Podcast qualitativer und unterhaltsamer zu machen. Und wenn du keine Möglichkeit hast, uns finanziell zu unterstützen, hilft uns auch jeder Kommentar, Bewertung und jedes Weiterempfehlen. Mehr Informationen zu unserem Projekt findest du wie immer auf unseren sozialen Kanälen und auf heldendumm.de.